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Hartes Material, Zartes Gefühl

ein Gespräch mit der Bildhauerin Erika Hacker (1950-2023)

Han Yan

In der Jahres-Ausstellung des Künstlerkreises Münchner Süden in Pullach (9.-22. Oktober 2014) zog sich ein Bronzestück (Abb.1 Remember, Bronze, B.30 cm, 2014) meinen Blick sofort auf. Es handelt sich um ein sehr abstraktes Objekt. Zwei Streifen sind miteinander verschlungen und bilden einen großen Knoten, welcher für Erinnerung und Verbindung steht und als Symbol zur Lösung eines Problems betrachtet werden kann. Diese Form verleiht dem harten Material Bronze eine Leichtigkeit, wobei man nicht ahnt, dass es sich um einen Abguss eines Steins handelt. Diese zauberhafte Skulptur schuf die Bildhauerin Erika Hacker (Die gebürtige Nürnbergerin studierte von 1968-1972 an der Werkkunstschule Augsburg Grafik Design. 1987 schuf sie ihre ersten Arbeiten als Bildhauerin in München. 1992 wurde sie Mitglied der Künstlervereinigung des Pavillons im alten botanischen Garten und gehört seit 1996 zu den Künstlern der Galerie Isolde Weiß in München mit regelmäßigen Ausstellungen in Deutschland und der Schweiz). Nach der Ausstellung traf ich sie in ihrem Münchener Atelier und sprach mit ihr über ihr künstlerisches Schaffen.

Q: Mir ist aufgefallen, dass Sie häufig die Thematik Paare (Abb.5 Paar, Bronze, H.26 cm, 1999) und zweiteiligen Formen, wie Ursprung (Abb.2 Serpentin/Granit, B.37 cm, 2010), darstellen. Ist es ein Ausdruck Ihrer Weltanschauung und ist diese von der chinesischen daoistischen Theorie beeinflusst?

(Der Daoismus ist eine chinesische Philosophie und Weltanschauung. Das Wort Dao bedeutete ursprünglich Weg. Aber man kann es auch Methode und Prinzip verstehen. Durch das Wirken des Dao wird die Schöpfung durch Zweiheit, das Yin und das Yang, hervorgebracht. Mit Yin verbindet sich die Vorstellung der Kühle, der Weiblichkeit und des Dunkels, mit Yang der Wärme, der Männlichkeit und der Helle. Die beiden gegensätzlichen Begriffe wechseln sich immer ab und vereinigen eine bestimmte Vorstellung der Wandlung, damit der Kosmos die Balance halten kann. Anm. d. Redaktion)

A: Zweiteiler und Paar-Situationen finde ich interessant, da diese in der Natur und in unserem Leben vorkommen. Es hat nicht unbedingt mit dem Daoismus zu tun. Die Skulptur Ursprung ist ein Beispiel dafür, dass diese Arbeit zusammen oder für sich alleine stehen und wirken kann. Das Passen und ineinander Fügen ist dabei eine handwerkliche Herausforderung.

Abb.1 Remember, Bronze, B.30 cm, 2014
Abb.2 Ursprung, Serpentin / Granit, B.37 cm, 2010

Q: Im Atelier befinden sich ein paar rechteckige rohe Materialien. Wie setzen Sie Ihre künstlerische Idee auf solchen harten Steinen um und wie läuft der Arbeitsprozess ab?

A: Arbeit mit Stein ist ein ganz anderer Prozess als die Kunst der Malerei. Skulptur bedeutet Wegnehmen, d.h. durch Abtragen erfolgt die Bearbeitung des Materials. Am Anfang steht die skizzenhafte Idee. Die kleinen Modelle aus Ton gehen voraus. Dies ist die künstlerische Arbeit. Abschließend ist die Idee auf das hartes Material umzusetzen. Das bedarf einer genauen maßstabgerechten Übertragung. Danach beginnt die handwerkliche Arbeit mit Hammer und Meißel. Ich lege frei, was in meinem Kopf bereits als Bild vorhanden ist.

Q: Ich liebe Ihre Torsi (Abb.3-4). Was bedeutet dieses Thema für Sie?

A: Die Darstellung menschlicher Körper –Torsi– ist für mich sehr interessant, da sie den Unterschied zwischen weiblich-männlich und der jeweiligen Körperhaltung zeigen, wobei der Betrachter Stimmungen wie traurig, fröhlich, hässlich oder hübsch nur erahnen kann. Dabei bevorzuge ich als Material Alabaster, welcher durch seine Lichtdurchlässigkeit die Skulptur sehr weich erscheinen lässt. Natürlich verwende ich auch härtere Materialien wie Muschelkalk und Diorit, die für den Außenbereich ziemlich geeignet sind.

Abb.3 Torso, Alabaster, H.30 cm, 1997
Abb.4 Innere Ruhe, Muschelkalk, H.55 cm / Torso, Bronze, H.90 cm / Torso, Sandstein, H.90 cm (v. l. n. r.)

Q: Viele Ihrer Werke übermitteln ein ruhiges, meditatives Gefühl. Wieso haben Sie diese ästhetische Entscheidung getroffen?

A: In den 80er Jahren waren naturalistische Darstellungen von Mensch und Tier nicht gefragt. Für mich war es eine Herausforderung diese Themen frei in meiner persönlichen Handschrift zu gestalten. Die Natur und mein Umfeld fungieren dabei als meine Inspirationsquelle. Die Skulptur Innere Ruhe (Abb.4 Muschelkalk, H.55 cm) schuf ich, als meine Tochter ihr Kind erwartete. In dieser Zeit strahlte sie viel Ruhe aus. Es ist sozusagen mein persönlicher Ausdruck zur Welt.

Abb.5 Paar, Bronze, H.26 cm, 1999
Abb.6 Himmlische Flugobjekte, Bronze, je B.12 cm

Q: Sie verleihen jeder Skulptur einen Titel. Wollen Sie dem Betrachter bestimmte Informationen geben?  

A: In der Tat benutze ich nicht gerne Ohne Titel, da ich bei meinen Arbeiten als Ausgangspunkt eine gewisse Vorstellung habe. Nach meiner Erfahrung will der Betrachter gerne einen Titel haben, welcher ihm einen Zugang verschafft, vor allem bei den abstrakten Arbeiten. Natürlich steht jedem offen, sein Eigenes in der Skulptur zu sehen.

Q: Gerade habe ich eine Stehle (Abb.7) im Erdgeschoss Ihres Ateliers gesehen. Sie ist größer als die anderen Werke. Könnten Sie über dieses außergewöhnliches Stück sprechen?

A: Eigentlich habe ich bei dieser Stehle an meine Familiengrabstätte gedacht. Viele Menschen wollen den Tod nicht berühren, für mich gehört er zum Leben. Für Künstler ist es ein schönes Thema, ein individuelles Symbol für Menschen zu schaffen, das zu deren Lebzeiten im Garten steht und an deren Anblick man sich erfreuen kann.

Abb.7 Ausschnitt der Stehle
Abb.8 Atelier der Künstlerin

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